Trenduntersuchung mit über 2.000 Befragten: Die gespaltene Alpenrepublik - Corona als Bruchlinie - Orientierungslosigkeit nimmt weiter zu
Mehr als zwei Drittel der Österreicher:innen haben den Eindruck, nicht mehr ganz sicher zu sein, was richtig und was falsch in Politik, Wirtschaft und in allgemeinen Lebensfragen ist (voll und ganz / eher). Tendenz steigend: Plus 11 Prozentpunkte (voll und ganz) seit 2018! Nur sieben Prozent haben in dieser Fragestellung eine klare Orientierung.
Wiederum zwei Drittel der Österreicher:innen stimmen der Aussage, dass Österreich in politischer Hinsicht ein gespaltenes Land sei und sich deutliche Gegensätze in der Bevölkerung auftun würden, zumindest eher zu. Jeder Dritte ist ausdrücklich – also "voll und ganz" – dieser Meinung und nur rund vier Prozent äußern die diametral gegenteilige Meinung und sehen überhaupt keine Spaltung der Gesellschaft in Bezug auf politische Themen. Im Trend seit 2016 nimmt die Einschätzung einer Spaltung deutlich zu, in dieser Forschungsdimension sind es 16 Prozentpunkte mehr in der sogenannten Top-Box.
Kernbruchlinie der Gesellschaft ist das Thema Corona-Maßnahmen. Danach folgen mit deutlichem Abstand Fragen der Zuwanderung und Integration sowie die Politik allgemein.
Die Diskussionen rund um die Corona-Maßnahmen haben zwei von drei Österreicher:innen zumindest eher intensiv wahrgenommen, knapp jede zweite Österreicher:in geht davon aus, dass die Bevölkerung nach der Krise in diesem Thema wieder zusammenfindet. Ein gutes Viertel glaubt nicht an diese Versöhnung.
Kernaussage des aktuellen demoskopischen Befunds des IMAS Forschungsstabs: Eine grundlegende Orientierung zu wesentlichen Fragen des Lebens fehlt in breiten Teilen der Bevölkerung mit klar steigender Tendenz, sprich die Bevölkerung hat keinen eindeutigen Blick mehr auf Lösungsansätze und die darüber liegende Übersicht. Im Detail: 30 Prozent der Befragten bestätigen diese Orientierungslosigkeit "voll und ganz", weitere 38 Prozent sind davon "eher" überzeugt. Der Gegenpol liegt bei 22 Prozent (15 "stimme eher nicht zu" und 7 Prozent "stimme überhaupt nicht zu") und ergibt somit in den äußersten Antworten ein Verhältnis von 30 zu 7. Zudem kann man seit der ersten Messung 2018 insgesamt von einer deutlichen Zunahme der Orientierungslosigkeit in der Gesellschaft sprechen. Interessantes Detail: Es zeigt sich nur ein leichtes Alters- und Bildungsgefälle.
Die weiteren Ergebnisse zeigen, dass die Spaltung in der Alpenrepublik zugenommen hat. Der aktuelle Befund sichert die bisherigen Ergebnisse noch einmal ab, lässt aber den Eindruck einer gespaltenen Nation noch viel stärker zu: 68 Prozent der Bewohner:innen Österreichs stimmen der Aussage, dass Österreich in politischer Hinsicht ein gespaltenes Land sei und sich deutliche Gegensätze in der Bevölkerung auftun würden, zumindest eher zu. Dies ist die mit Abstand höchste Zustimmungsrate zu dieser Aussage seit 2016.
Genau genommen sind es 35 Prozent, die diese Auffassung voll und ganz vertreten. Rund vier Prozent können dem überhaupt nicht zustimmen, sehen also überhaupt keine Spaltung in Bezug auf politische Themen.
Als stärkste Bruchlinie in Bezug auf die Spaltung galt bis 2019 die Zuwanderungsthematik inklusive Integration und Flüchtlingskrise. 2019 äußerte jeder Zweite, der eine Spaltung zumindest eher stark empfindet, spontan dieses Thema. Im aktuellen Befund zeigt sich aber eindeutig, dass die Corona-Pandemie nun zum wiederholten Mal den größten Spaltpilz darstellt, mit 84 Prozent äußert diese Gruppe dort den größten gesellschaftlichen Widerspruch. Die Frage der Zuwanderung, Integration usw. nimmt weiterhin kontinuierlich ab und ist im Vergleich zu 2016 nun gedrittelt.
Dokumentation
Zeitraum der Umfragen: 13. Jänner – 8. Februar / 9. Februar – 7. März 2022
Sample: n=2.027 Personen, statistisch repräsentativ für die österreichische Bevölkerung ab 16 Jahren, Quotaauswahl, face-to-face, Mehr-Themen-Umfrage, IMAS International Eigenstudie
Archiv-Nummern der Umfragen: 022011 / 022021
Vollständiger Report mit zusätzlichen Charts
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